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ls 1520 in Emden der

erste protestantische

Gottesdienst gefeiert

wurde, war es erst

drei Jahre her, dass Martin

Luther seine 95 Thesen an

die Wittenberger Schlosskir-

che geschlagen haben soll.

Emden – und auch die weite-

ren Teile von Ostfriesland –

zählten aber nicht nur zu den

ersten evangelischen Hoch-

burgen, sondern auch zu den

wichtigsten. Das betonen auf

Nachfrage unserer Redaktion

Dr. Klaas-Dieter Voß (Stiftung

der Emder Johannes-a-Las-

co-Bibliothek) und Andreas

Scheepker (Auricher Arbeits-

stelle für Evangelische Religi-

onspädagogik Ostfriesland).

Laut dem Kirchenhistori-

ker Voß hängt das mit den Ei-

genheiten des Ostfriesischen

Landrechts beziehungsweise

des Friesischen Rechts zu-

sammen: Die Region sei libe-

raler als andere gewesen. So

fanden in Emden beispiels-

weise viele Protestanten Zu-

flucht, denen in den von den

katholischen

Habsburgern

regierten Teilen der Nieder-

lande der Tod drohte. Außer

ihnen kamen aber auch Men-

schen aus Brabant, Flandern

oder Frankreich.

Als Maria Tudor, Beiname

„die Blutige“, 1553 Königin

von England wurde, sei dann

noch ein weiterer Flücht-

lingsstrom aus London dazu-

gekommen. Darunter seien

A

viele Buchdrucker, Korn- und

Tuchhändler gewesen, die

ein internationales Handels-

netz

aufbauten.

„Emden

wurde dadurch in der zwei-

ten Hälfte des 16. Jahrhun-

derts zu einer der größten

Handelszentren Europas und

war für seinen Reichtum be-

kannt“, weiß der Theologe.

Pastor Scheepker ergänzt:

„Hier wirkten sehr angesehe-

ne Theologen mit weiter Aus-

strahlung.“ Das habe auch

zum Ausbau des Schulwe-

sens und zur Gründung der

Diakonie geführt.

Flüchtlinge sorgen für

wirtschaftliche Blüte

Aus der anfänglichen Glau-

bens-Toleranz seien jedoch

im Laufe der Jahre immer

mehr Spannungen erwach-

sen, sagt Voß. Ab 1561 habe

es in Ostfriesland plötzlich

nicht mehr einen, sondern

zwei Grafen gegeben: den re-

formierten Johann II. mit Sitz

in Emden und seinen lutheri-

schen Bruder Edzard II. mit

Sitz in Aurich. Das habe zu

den bis heute existierenden

geografischen Grenzen zwi-

schen Reformierten und Lu-

theranern in Ostfriesland ge-

führt. Laut Scheepker sind so

vor allem die Krummhörn,

Emden, Leer, das Rheider-

land sowie Teile des Moor-

merlandes und des Overle-

dingerlandes reformiert und

Norden, Aurich, der Osten

des Landkreises Leer und das

Harlingerland lutherisch ge-

prägt worden.

Zur Entspannung dieser

konfessionellen Gräben tru-

gen erst die Emder Konkor-

date von 1599 bei, so Voß.

Durch diesen Vertrag seien in

Ostfriesland sowohl der re-

formierte als auch der luthe-

rische Glaube gleichberech-

tigt anerkannt worden. Erst

etwa 100 Jahre später exis-

tierten dann auch innerhalb

derselben Städte sowohl re-

formierte als auch lutheri-

sche Gemeinden. Damit zu-

frieden waren laut Voß aber

noch lange nicht alle. „Als

nach dem Zweiten Weltkrieg

lutherische Flüchtlinge aus

den früheren deutschen Ost-

gebieten nach Ostfriesland

kamen, führte das im rhei-

derländischen Weener und

Bunde noch zu Problemen.“

Die Geschichte des Protes-

tantismus in Ostfriesland

hinterlässt aber auch heute

noch ihre Spuren. So sind

von den im Laufe der Jahr-

hunderte mehr als 50 Glau-

bensgemeinschaften in Ost-

friesland noch immer einige

zu finden, wie beispielsweise

die Mennoniten oder die im

19. Jahrhundert dazugekom-

menen Freikirchen wie die

Altreformierten,

Baptisten,

Methodisten und Herrnhu-

ter.

Und wie unterscheiden

sich diese Gruppen? „Sie ori-

entieren sich vor allem am

Verständnis der Sakramente,

der Kirche und der Bedeu-

tung des persönlichen Glau-

bens“, so Scheepker.

Erlebte der Protestantis-

mus in Ostfriesland früher

noch eine Blütezeit, nimmt

die Zahl der Gläubigen inzwi-

schen aber immer weiter ab.

Da nützt es auch nichts, dass

Emden im Jahr 2013 der Titel

„Reformationsstadt Europas“

verliehen wurde. Regionalbi-

schof Dr. Detlef Klahr ist den-

noch nicht verzagt, wie er in

einer Antwort an unsere Zei-

tung betont. So spielten

kirchliche Einrichtungen wie

die Diakonie noch immer ei-

ne wichtige Rolle. Dazu kä-

men die kirchliche Seelsorge,

die Kinder-, Kranken- und Al-

tenbetreuung.

Was den allgemein zuneh-

menden Mangel an Geistli-

chen angeht, profitiere man

in Ostfriesland davon, dass

die Region attraktiv ist. „Frei-

werdende Stellen können in

der Regel zeitnah nachbe-

setzt werden.“ Auch was die

Gemeindemitglieder angeht,

könne man in Ostfriesland

noch von einer vergleichs-

weise „großen Treue“ spre-

chen. Was wegbrechende

Einnahmen angeht, spiele

wie schon in früheren Zeiten

der vorhandene Grundbesitz

der Gemeinden eine wichtige

Rolle: „Ein Grundprinzip der

kirchlichen Haushaltung war

immer, aus eigenen Kräften

und eigenen Mitteln das Ge-

meindeleben zu finanzie-

ren.“

VonReformierten,LutheranernunddenFreikirchen

GLAUBE

Ostfriesland spielte eine sehr wichtige Rolle für die Reformation – Spuren dieser Blütezeit findet man noch immer

VON MICHAEL HILLEBRAND

Martin Luthers Ideen haben in Ostfriesland viele Spuren hinterlassen. Das Bild zeigt eine

Statue des Augustinermönchs, die vor der Norderneyer Inselkirche steht.

BILD: LEIDIG

„Ich lese die OZ, um im Bilde zu sein über das, was sich in

der Region und in der Welt abspielt. In Zeiten, wo wir mit

Infos aus dem Internet überschwemmt werden, sind Zei-

tungen eine seriöse Quelle.“

Julia Feldmann, Norden

Freitag, 9. Oktober 2020, Seite 45

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... wünscht Julia aus der

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