

„Die Welt dreht sich schneller. Umso wichtiger sind regionale An-
ker wie die OZ. Sie bietet Wissenswertes über Land und Leute.
Facebook und Co können das nicht ersetzen. Mein Wunsch: mehr
Berichte statt Geschichten.“
Gitta Connemann, Hesel
Freitag, 9. Oktober 2020, Seite 8
s ist dieser Milchglasef-
fekt wie in den „Akten-
zeichen-XY“-Sendun-
gen meiner Kindheit:
Kurz ist das Bild verschwom-
men, doch dann ist es wieder
klar, die Erinnerung wieder
da. Ich muss 15, 16 Jahre alt
gewesen sein. So recht wuss-
te ich noch nicht, wohin das
Leben mich nach dem Abitur
führen sollte. Ein „Talente-
Test“ der Berufsberatung
empfahl Jurist, ich liebäugel-
te mit dem Buchhandel, und
mein Polizistenvater sagte:
„Mach doch mal ein Prakti-
um bei meinem Bruder in
der Zeitung!“
So kam ich, der Junge aus
Braunschweig, nach Leer/
Ostfriesland. Mein Onkel
Hans-Joachim Gösmann mit
dem Kürzel sma war Lokal-
chef der Stadt-Ausgabe. Ein
konservativer Mann, der ger-
ne Fliege trug, mittags zum
Essen nach Hause fuhr und
dann ein kurzes Nickerchen
auf dem Fußboden hielt. Im-
mer exakt 20 Minuten. Dann
fuhr er wieder in die Redakti-
on. Im Rückblick denke ich,
vielleicht ist das die Gelas-
senheit, die unserer Kommu-
nikation, dem sich gegensei-
tigen Anschreien mit feuch-
ter Aussprache via sozialer
Medien und Talkshows, heu-
te manchmal fehlt. Staunend
betrat ich in Leer das Verlags-
gebäude, bestaunte die Re-
E
daktion und erst recht die
Technik: Man hatte gerade
den
Bleisatz
abgeschafft,
überall
leuchteten
grüne
Buchstaben auf schwarzen
Bildschirmhintergründen.
Die Leute waren freund-
lich, hatten friesische Namen
wie Boekhoff und waren ge-
duldig mit mir. Irgendwann
in den drei Wochen schickte
mein Onkel mich zu einem
Konzert des Jazzposaunisten
Albert Mangelsdorff. Ich hielt
mich damals eher für die aus
Braunschweig
kommende
Antwort auf Duran Duran,
verstand keinen Ton, schrieb
etwas Wirres, das wurde um-
sichtig redigiert und stand
am nächsten Tag in der „OZ“.
Das war mein erster Text.
Am Ende meines Praktikums
nahm ich zehn Exemplare
dieser Ausgabe stolz mit
nach Hause, wurde Journalist
und bin es noch immer lei-
denschaftlich gerne. Danke,
liebe OZ!
Û
Sven Gösmann, 54, ist seit
2014
Chefredakteur
der
Deutschen
Presse-Agentur
(dpa) in Berlin. Zuvor war er
acht Jahre Chefredakteur der
„Rheinischen Post“ in Düs-
seldorf, davor unter anderem
stellvertretender Chefredak-
teur der „Bild“-Zeitung und
Politikchef der „Welt am
Sonntag“. Er volontierte bei
der „Braunschweiger Zei-
tung“.
Als der Lokalchef auf dem
Fußboden ein Nickerchen hielt
KOLLEGE
DPA-Chef Gösmann fing klein an, bei der OZ
VON SVEN GÖSMANN
Sven Gösmann machte als junger Mann ein Praktikum bei
der OZ – und ist heute Chefredakteur der Deutschen Pres-
se-Agentur.
BILD: PRIVAT
ätte die Ostfriesen-
Zeitung 1970 meine
Bewerbung um ein
Volontariat nach ab-
solviertem Hebraicum und
einigen Semestern evangeli-
scher Theologie angenom-
men, wäre mein Lebensweg
wohl anders verlaufen und
ich hieße vielleicht noch
Hutzfeldt wie damals. Doch
sie lehnte ab, und ich stürzte
mich in die schon auslaufen-
de Studentenbewegung.
Bis heute ist die Ostfrie-
sen-Zeitung für mich das Ur-
bild einer Zeitung geblieben.
Seit ich lesen konnte, studier-
te ich sie nach der Schule auf
dem Bett meiner Großmut-
ter, weil sie dort am leichtes-
ten auszubreiten war. Diese
Neugier auf Neues habe ich
mir bis heute erhalten.
Durch die Ostfriesen-Zei-
tung erfuhr ich, dass die mit
dreifachem Sirenenton alar-
mierte Freiwillige Feuerwehr
den Brand im Spanplatten-
werk Connemann auf der
Nesse noch immer nicht voll-
ständig gelöscht hatte, wann
die Umgehungsstraße von
der Kreuzung Spier bis zur
Heisfelder Straße endlich er-
öffnet wurde und wie viele
zum
Anschwimmen
ins
„Strandbad“ an der Georg-
straße gekommen waren. Sie
prangerte das Verhalten von
rauchenden und lärmenden
Gymnasiasten an, die im Ca-
H
fé Maurer Hausverbot erhiel-
ten. Dass der Direktor des
Gymnasiums für Jungen ei-
nem Schwarzen den Zutritt
zum Abi-Ball verbot, berich-
tete sie allerdings erst nach
der Bild-Zeitung. Spannend
geriet auch der mit Beleidi-
gungen gespickte Streit zwei-
er Möbelmärkte, den sie auf
ganzseitigen Anzeigen aus-
trugen.
Mein Klassenlehrer Wolf,
Lupus genannt, lobte die
Kommentare von Redakteur
Gösmann, der oft mit dem
Kürzel sma unterzeichnete.
Gösmann war durch und
durch konservativ. Aber die
politische Ausrichtung nahm
ich erst ab Mitte der Neun-
zehnhundertsechziger stär-
ker wahr, wenn ich mir gele-
gentlich den „Spiegel“ oder
die „Zeit“ kaufte und einen
deutlich anderen Ton im
Umgang mit Vietnamkrieg
oder Notstandsgesetzen be-
merkte.
So war es auch in der Fa-
milie. Und die Ostfriesen-
Zeitung gehörte dazu. Heute
in Berlin bedeutet sie für
mich Heimat. So wünsche
ich, dass ihr der Wechsel in
die digitale Zukunft gelingt.
Û
Franz Sommerfeld ist
ziemlich genau ein Jahr älter
als die OZ. Er wuchs in Leer
auf als Franz Hutzfeld, stu-
dierte in Mainz evangelische
Theologie, wurde Kommu-
nist und verantwortete meh-
rere marxistische Zeitungen.
Nach der Wende arbeitete er
beim „Freitag“ und ging zur
„Berliner Zeitung“, wo er
1997 stellvertretender Chef-
redakteur wurde. Zwei Jahre
später dann wurde er Chefre-
dakteur in Halle bei der „Mit-
teldeutschen Zeitung“ und
ein weiteres Jahr später des
„Kölner
Stadt-Anzeigers“.
Von 2009 bis zu seinem Ru-
hestand 2014 war er im Vor-
stand der Mediengruppe Du-
Mont Schauberg in Köln.
2007 wurde er vom Medium
Magazin zum „Chefredakteur
des Jahres“ gewählt. Heute
lebt er als aufmerksamer Be-
obachter des Zeitgeschehens
in Berlin.
Als die OZ ihn nicht wollte,
wurde er zumKommunisten
KOLLEGE
Franz Sommerfeld war viele Jahre Chefredakteur
VON FRANZ SOMMERFELD
Franz Sommer feld
Anzeigen
%
AUF
ALLES
*
AUF
M
Ö
B
E
L
B
U
S
S
I
N
O
L
D
E
N
B
U
R
G
15
JAHRE
*Ausgenommen Werbeware, Ware von Interliving und BabyOne.
*
möbel-buss.deAlle Infos auf:
Wir gratulieren der
Ostfriesen-Zeitung
herzlich zum
70. GEBURTSTAG
und freuen uns auf
eine weitere gute
Zusammenarbeit.
MÖBEL BUSS GmbH
· Kanalstr. II 1a · 26639 Wiesmoor · Tel. 04944 960 - 0