

„Als überzeugte Ostfriesin lese ich täglich und schätze
an der OZ, dass die Berichterstattung (fast) die gesamte
Region abdeckt. Das trägt auch zum Abbau des
Kirchturmdenkens bei.“
Ilka Erdwiens, Emden
Freitag, 9. Oktober 2020, Seite 28
enn Melanie Kö-
nig und ihre Kol-
leginnen
den
Dienst beginnen,
werfen sie einen Blick auf
den Wetterbericht. Eigentlich
arbeiten sie und ihre 16 Kol-
leginnen im Kundenservice-
center der Ostfriesen-Zei-
tung. Sie bearbeiten Aboan-
gelegenheiten, nehmen An-
zeigen auf oder beraten in
Sachen digitales Angebot der
OZ. Doch regelmäßig müssen
sie auch ganz andere Fragen
beantworten.
„Wie ist denn das Wetter
bei Ihnen derzeit? Wir ma-
chen nächste Woche Urlaub
in Ostfriesland“ ist so eine
Frage. „Touristen rufen oft an
und fragen wie das Wetter
ist“, sagt die Leiterin des
Kundencenters. Auch die Ge-
zeiten müssen die Kollegin-
nen und ein Kollege stets pa-
rat haben. „Wir bemühen
uns, alle Fragen der Kunden
zu beantworten“, sagt sie.
Dabei werden sie durchaus
kreativ. „Eine Kollegin hat ei-
nem Kunden, der eine Frage
zur Onlineausgabe hatte, ein-
mal das Firefox-Browser-
Symbol als Fuchs, der die
Welt umarmt, beschrieben.
Er hat sofort gewusst, was sie
meint.“
Doch es sind lange nicht
nur Fragen wie: „Meine Zei-
tung ist heute nicht gekom-
men, warum?“ oder „Wie
kann ich ein E-Paper abonie-
ren?“. König und ihr Team
sind häufig Seelsorger, Part-
nervermittler oder Rechtsbe-
rater – im Rahmen ihrer
Möglichkeiten.
W
Auf den Weg zur großen
Liebe helfen sie zum Beispiel
mit Bekanntschaftsanzeigen.
„Da besprechen wir mit den
Kunden schon, wie sie sich
gut in Szene setzen können“,
sagt König. Oft höre sie dort:
„In meinem Alter melden
sich doch keine Männer
mehr.“ Da hat sie dann aber
ein Gegenbeispiel parat: Sie
habe für ihre Oma solch eine
Anzeige aufgegeben und nun
sei die Dame verlobt. „Ihr
Verlobter hat mir einmal ge-
sagt, dass er nur wegen des
netten Textes geschrieben
habe“, sagt König.
Besonders große Verwir-
rung kommt sowohl bei den
Servicemitarbeiterinnen und
-mitarbeitern wie auch bei
den Anrufern auf, wenn es
um Anzeigen geht. „Hin und
wieder werden wir mit der
Polizei verwechselt“, berich-
tet König. In solchen Fällen
sprechen die Anrufer von ei-
ner Anzeige, die Kundenser-
vicemitarbeiter legen los und
irgendwann wird deutlich:
Der Text ist nicht für die Zei-
tung bestimmt. Die Anrufer
wollen eine Straftat anzeigen.
„Das kann aber schon mal
dauern, bis das klar ist“, sagt
König. Meistens seien die
Kunden nett und reagierten
freundlich. „Es gibt natürlich
auch andere“, sagt sie.
Eine Kundin hat das Team
aber besonders ins Herz ge-
schlossen – ohne, dass es
weiß, wer diese Kundin ei-
gentlich ist. „Vor zwei Jahren
wurde uns ein selbstgebastel-
ter Adventskalender mit Sü-
ßigkeiten und Gedichten vor
die Tür gestellt. Er war an
den Kundenservice adres-
siert. Allerdings stand kein
Name an dem Kalender“,
sagt König. Sie hofft, dass die
Stifterin den Artikel liest.
„Wir haben uns sehr darüber
gefreut.“
Rund 6500 Anrufe landen
bei den 17 Mitarbeitern
durchschnittlich im Monat.
Das Team bearbeitet nicht
nur die Anrufe der OZ, son-
dern auch der Schwesterzei-
tungen Ostfriesische Nach-
richten,
General-Anzeiger,
Borkumer Zeitung und We-
cker. Mit einer Zeitung kön-
nen die Mitarbeiter aber
nicht dienen: „Manche Anru-
fer möchten mit der Ostsee-
Zeitung sprechen“, sagt sie.
Das Rostocker Blatt kürzt
sich auch OZ ab – da kommt
es zu Verwechslungen.
Ansonsten
könne
das
Team aber jedem Anrufer ir-
gendwie helfen, erklärt Mela-
nie König. Nur eine Sache
können die Verlagsmitarbei-
ter in diesem Jahr nicht än-
dern: „Normalerweise be-
kommen wir schon Mitte Ju-
ni die ersten Anfragen nach
dem Bummelpass für den
Gallimarkt“, sagt König. Den
wird es wohl dieses Jahr nicht
geben.
PartnervermittelndeRechtsberater amTelefon
ERLEBNIS
Im Kundenservicecenter der OZ gehen Hunderte Anrufe täglich ein – nicht alle haben mit dem Blatt zu tun
VON NIKOLA NORDING
Melanie König nimmt zusammen mit ihrem Team die Anrufe der OZ-Kunden an.
BILD: ORTGIES
ie ist er, der Politi-
ker? Klar wissen
wir, dass es nicht
nur einen gibt.
Herr L. aber sieht das anders.
Für ihn ist einer wie der an-
dere: schlecht. Die eigenen
Namen gesteht er ihnen zwar
noch zu, die nennt er auch
gerne. Aber den Politiker, den
mag er nicht.
Der eine ist strohdoof, die
andere schwachsinnig, einer
ist für nichts zu gebrauchen
und alle sind schuld an al-
lem. Deshalb müssen sie sich
auch über nichts mehr wun-
dern. Herr L. ist zornig. Ihm
laufen viele Läuse über die
Leber. Und die scheucht er
dann über seine Tastatur.
Herr L. schreibt Leserbriefe –
regelmäßig.
Und mir macht er – fast
genauso oft – Kopfschmer-
zen. Ist „strohdoof“ schon ei-
ne Beleidigung? Dann hat sie
in der Zeitung nichts zu su-
chen. Ist es Meinung? Für
Herrn L. ist es die Wahrheit.
Und die wird man ja wohl
noch sagen dürfen.
Mit der Wahrheit ist es
nun aber mal so eine Sache.
Es gibt mindestens so viele
wie Politiker. Jeder hat seine
eigene – auch Leserbrief-
schreiber. Nur manchmal ist
die Wahrheit leider nicht
wahr oder sie ist verletzend,
Rufmord, eine Drohung . . .
nichts, was wir veröffentli-
chen wollen, können, dürfen
W
– auch wenn Herr L. das
nicht verstehen will. Deshalb
ruft er an. Immer wieder.
Fragt nach seinen Leserbrie-
fen. Ich erkläre ihm, warum
wir sie nicht abdrucken – re-
gelmäßig. Herr L. zeigt sich
auch fast jedes Mal einsich-
tig. Sagt, dass er es beim
nächsten Mal anders machen
wird. Und dann laufen ihm
wieder Läuse über die Le-
ber . . .
Natürlich sind nicht alle
Leserbriefschreiber wie Herr
L. Auch von ihnen gibt es
mindestens so viele verschie-
dene wie Politiker. Oder
Wahrheiten. Bei ein paar von
ihnen entdecken wir immer-
hin Ähnlichkeiten. Ein – zu-
gegeben nicht ganz ernsthaft
gemeinter – Versuch, sie in
ihre Schubladen zu pressen.
Die Trickser
Schreiben zu vielen Themen,
haben aber eigentlich nur ei-
ne Botschaft. Die jubeln sie
uns immer wieder unter –
egal, ob sie sich zu Artikeln
über Grünkohl, Spielzeug
oder Carsharing äußern. Und
Grünkohl mit dem Ende der
Freiheit durch Corona in Ver-
bindung zu bringen, das
muss man erst mal schaffen.
Die Hellseher
Lügen, beleidigen, denunzie-
ren munter drauflos. Bezie-
hen sich gerne auf die sozia-
len Netzwerke als Informati-
onsquelle – als seriöse natür-
lich. Und jedes Mal lassen sie
uns spätestens am Ende ihrer
Ausführungen wissen, dass
wir ihre Leserbriefe ja sowie-
so nicht veröffentlichen wer-
den – weil wir uns nicht trau-
en. Genau.
Die Neunmalklugen
Weisen uns immer wieder
gerne auf Fehler hin. Ja, es ist
doof, wenn Frau Meyer in ei-
nem Artikel mit ey und mit ei
geschrieben wird oder der
Papst nicht zwei Ps verpasst
bekommt, vorne und in der
Mitte. Sechs, setzen. Wir ha-
ben verstanden – und gelo-
ben Besserung. Aber auch
wenn wir alles tun, um sie zu
vermeiden: Feler passieren.
Die Stimme des Volkes
Weiß angeblich, was alle den-
ken, und spricht es aus: Steu-
ern rauf, Maske auf, Grund-
schule zu, Flüchtlinge rein –
alles nicht gewollt. Die Politik
sollte ihre Entscheidungen
noch mal „überdenken“, dro-
hen die Fürschreiber des Vol-
kes.
Denn
–
beliebter
Schlusssatz: Bald sind Wah-
len und das letzte Wort hat
immer der Wähler.
Die Dinosaurier
Schreiben mit der Hand und
an die liebe oder sehr geehrte
Redaktion. Höflichkeit ist ih-
nen wichtig, ihren Füller
würden sie nie hergeben,
Computer sind ihnen ein
Graus. Brief muss Brief blei-
ben. Wir bedauern, dass sie
aussterben.
Die mit dem Wolf
heulen
Werden bissig, wenn es ge-
gen ihren Liebling geht – das
muss nicht immer der Wolf
sein. Auch Fuchs und Gans
haben ihre Beschützer. Der
ein oder andere verteidigt so-
gar
blöde
Kühe,
große
Schweine oder selbstverlieb-
te Gockel.
Die Wichtigen
Lassen uns und im CC den
Chef in ihren Anschreiben
gerne wissen, dass ihr Leser-
brief wichtiger ist als jeder
andere – und schnellsten ab-
gedruckt
werden
muss.
Schließlich wird in Hannover
und Berlin – und nicht nur
dort – auf ihre richtungswei-
sende Meinung schon gewar-
tet. So wird Politik gemacht.
Die Zurückhaltenden
Äußern sich nur, wenn ihnen
ein Thema wirklich wichtig
ist. Jede Zeile ist wohl durch-
dacht. Häufig lassen sie uns
auch wissen, dass sie eigent-
lich nie Leserbriefe schrei-
ben, es in diesem Fall aber
nicht anders ging. Dann ent-
schuldigen sie sich. Wofür?
Die Ironischen
Im Ernst: Mit dem feinen
Spott ist das in der Regel so
eine Sache – den versteht
nicht jeder. Und die Kunst,
ihn zu vermitteln, beherrscht
auch nicht jeder. Die, die sich
darauf verstehen, werden
von uns gefeiert. Oft reichen
ihnen übrigens wenige Sätze
– manchmal tun es sogar nur
ein paar Worte.
Die Traurigen
Leben in der Vergangenheit,
von der sie gerne erzählen.
Von ihrem Beruf, ihrer Kind-
heit, von Frauen, die noch
kochen konnten, Männern,
die echte Männer waren.
Kurzum: Früher war alles
besser – aber früher hätte
man manche Leute auch bei
Nebel ins Watt gejagt – also
Vorsicht!
Die Ausschweifenden
Umgehen die Längenrege-
lung für Leserbriefe. 60 Zei-
len? Geht gar nicht. Was sie
zu sagen haben, ist dafür viel
zu wichtig. Und zu kompli-
ziert – sie müssen schließlich
Sachverhalte erklären. Dafür
brauchen sie viele Worte –
und sie kämpfen um jedes.
„Können Sie nicht mal eine
Ausnahme machen?“ Nee,
denn das wäre nicht fair. Kür-
zen geht immer, hab ich mal
gelernt. Und meistens ist we-
niger tatsächlich mehr.
Der Politiker, die Wahrheit, der Leserbriefschreiber
MEINUNG
Natürlich kann man alle über einen Kamm scheren – wir beschreiben aber lieber echte Typen
VON UTE KABERNAGEL
Vielleicht kennen Sie
den Hinweiskasten, der
jedes Mal bei der Veröf-
fentlichung von Leser-
briefen erscheint. Dort
steht in kurzer Form al-
les Wichtige zu dem The-
ma. Der Text lautet: „Le-
serbriefe sind der Redak-
tion willkommen, auch
wenn nicht alle veröf-
fentlicht werden können.
Sie sollten nicht länger
sein als 1500 Zeichen.
Die Redaktion behält
sich Kürzungen vor. Brie-
fe ohne Namen, Adresse
und Unterschrift des Ver-
fassers werden nicht ver-
öffentlicht. Für Rückfra-
gen bitte die Telefon-
nummer angeben. Leser-
briefe geben nicht die
Meinung der Redaktion
wieder.“
Also: Zögern Sie nicht
und schreiben uns Ihre
Meinung zu in der OZ er-
schienenen Artikeln.
Aber beachten Sie bitte
die Bedingungen. Beson-
ders einfach ist das mit
Hilfe eines Formulars,
das im Bereich Service
unter oz-online zu finden
ist. Der direkte Weg:
http://go.zgo.de/u2ec4. Damit kann man
nichts falsch machen.
Sagen Sie uns
Ihre Meinung